Frau, lächelnd, lehnt sich zurück

Affirmationen - was sagt die Forschung?

Affirmationen sind (selbst-)bestärkende Sätze oder Aussprüche, die dir helfen können, schwierige Lebensumstände besser zu bewältigen. Auf Social Media und in der Ratgeberliteratur begegnen uns diese Selbstbestätigungen überall - und werden manchmal wie ein Allheilmittel angepriesen, mit dem man geradezu über sich selbst hinauswachsen kann.

Doch was ist da dran?

In diesem Blogpost erfährst du

Kennst du das?

Sätze, wie "ich habe es verdient, geliebt zu werden" oder "ich bin großartig und kann alles schaffen, was ich will" oder "ich strahle vor Selbstvertrauen" begegnen uns in den sozialen Medien, in der Ratgeberliteratur oder im Coaching. Tatsächlich haben solche selbstbestärkenden Sätze einen wissenschaftlichen Hintergrund: 

Der amerikanische Sozial-Psychologe Claude M. Steele hat sich bereits Ende der 1980er-Jahre wissenschaftlich mit der Psychologie von Selbstbestätigungen beschäftigt und dabei herausgefunden, dass Menschen, die es schaffen, ein Selbstbild von "ich bin gut genug" zu etablieren (und zu halten), auch mit Herausforderungen im Leben besser klarkommen. 

Schwere Krisen können unser Selbstbild erschüttern und die Fähigkeit zur Krisenbewältigung herabsetzen - Krisen und der damit verbundene Stress - wird als Bedrohung für das Selbst wahrgenommen. Und das kann dazu führen, dass wir in einen Verteidigungsmodus gehen, um die Bedrohung abzuwehren. Einer konstruktiven, lösungsorientierten Krisenbewältigung kann dieser Verteidigungsmodus aber entgegenstehen. Positive Selbstbestätigungen jedoch, können uns helfen, gewissermaßen den Stier bei den Hörnern zu packen und der Krise ins Gesicht zu blicken - um einen besseren Umgang damit zu finden. 

Achtung: Nebenwirkungen!

Wenn solche Affirmationen oder Selbstbestätigungen allerdings zu groß ausfallen, das heißt, Formulierungen enthalten, die wir nicht als stimmig wahrnehmen, zum Beispiel so etwas wie "meine Superkräfte machen alles möglich", kann ihre Wirkung ins Gegenteil umschlagen und unser Selbstgefühl sinkt. Vermutlich entlarvt unser Gehirn diese zu großartigen Sätze als unrealistisch und konfrontiert uns dann eher mit unseren Schwächen. So in etwa "Superkräfte? Ha, schön wär's! Gar nichts bekomme ich auf die Reihe!". 


Wie kannst du positive Affirmationen für dich nutzen?

Die beiden, ebenfalls amerikanischen, Psychologen Geoffrey L. Cohen und David K. Sherman haben in einer Übersichtsarbeit (hier der Link zu dieser Arbeit) zahlreiche Studien zu Affirmationen zusammengetragen und gesichtet. Sie stellen einen Ansatz dar, der auch für die als Angehörige*r eines psychisch erkrankten Menschen eine Anregung sein könnte. 

Diesen Blogpost kannst du auch als Podcast hören: 

Cohen und Sherman stellen dar, dass es in herausfordernden Zeiten helfen kann, sich seiner allgemeinen Werte bewusst zu werden und sich explizit damit zu beschäftigen. Explizite Beschäftigung mit den Werten bedeutet, sich zu fragen, warum einem dieser Wert so wichtig ist. Was damit verbunden wird und wo man ihn konkret zum Ausdruck bringt und ihn lebt. Dabei, so zeigen es die Studien, die die beiden ausgewertet haben, kommt es darauf an, sich bei der Beschäftigung mit den Werten gerade NICHT auf die Lebensbereiche zu beziehen, die gerade schwierig sind. Wenn du also dein Leben mit einem psychisch erkrankten Partner/einer Partnerin teilst, dann suche für dich Werte und deren Sichtbarwerdung eben nicht in der Partnerschaft. Weil von dort gerade der Stress und das eventuell erschütterte Selbstbild sitzen. Die Studien, so Cohen und Sherman weiter, haben nämlich gezeigt, dass das durch die Beschäftigung mit den eigenen Werten neu oder wieder gewonnene Selbstwertgefühl auch auf die schwierige Situation übertragen wird. Und, dass dieser Effekt sogar langfristig Wirkung zeigt. 

Diese konkrete Übung schlagen sie vor

Mache dir zunächst einmal Gedanken zu deinen Werten. Solche Werte können etwa sein

  • Kollegialität im Team mit den Menschen, mit denen ich arbeite
  • Ein Vorbild sein für die eigenen Kinder
  • Hilfsbereit sein
  • Eine gute Freundin/ein guter Freund sein
  • Im Leben ehrlich sein
  • etc.

Überlege, was dir wichtig ist - und klammere die Lebenssituation mit der psychisch erkrankten Person dabei aus. 

Nimm dir dann ein Blatt Papier, einen Stift und etwa 10 Minuten Zeit und schreibe alles zu diesem Wert auf, das dir dazu einfällt. In ganzen Sätzen, nicht nur als Stichworte! Und, schreibe mit der Hand, dann bist du mehr "dabei". Also, warum ist dir dieser Wert wichtig? Wie bringst du ihn zum Ausdruck? Hast du konkrete Beispiele dafür? Woran könnten andere Menschen erkennen, dass dir dieser Wert wichtig ist? Hier können auch vermeintliche Kleinigkeiten Platz finden - es muss nicht immer das ganz große Rad sein!

Beobachte dich dabei, wenn du diesen kleinen Aufsatz schreibst.

  • Was passiert in deinem Inneren?
  • Wie erlebst du dich, wenn du einen Text über deine Werte schreibst?
  • Was sind deine Gedanken?
  • Was sind deine Gefühle dazu?
  • Was erlebst du in deinem Körper?

Wichtig

Natürlich änderst du durch diese Übung nicht die Situation als solches. Dein*e Partner*in wird dadurch nicht gesund. Entscheidend ist, ob sich dein Umgang mit der Herausforderung bessert. Stellen sich Gefühle von stärkerer Gelassenheit ein? Oder gelingt es dir, dich besser abzugrenzen? Etwas explizit für dich selbst zu tun, um deine Kräfte zu behalten? Das sind die Ergebnisse, die die Selbstbestätigungsforschung gezeigt hat. 

Du kannst diese Übung von Zeit zu Zeit wiederholen. 


Sei individuell

In meiner Praxis arbeite ich auch immer wieder mal mit Affirmationen, die sich meine Klient*innen dann selbst und maßgeschneidert erarbeiten. Dabei nutze ich gerne das "Zürcher Ressourcenmodell" (hier kannst du mehr dazu erfahren), bei dem so genannte Haltungs- oder Mottoziele herausgearbeitet werden. Diese werden - und das erlebe ich regelmäßig - dann als sehr stärkend und ermutigend erlebt. 

Ich fasse nochmal zusammen

  • Selbstbestärkungen, so genannte Selbst-Affirmationen, können helfen, mit krisenhaftem Stress besser klarzukommen.
  • Dazu ist es wichtig, dass diese Affirmationen nicht zu groß formuliert werden, sondern, am besten individuell zugeschnitten und eher nach dem Motto "gut genug" als "großartig" formuliert sind
  • Besonders hilfreich war es in den Studien, sich mit den eigenen Werten auseinanderzusetzen, zum Beispiel in der 10-minütigen Schreibübung. 

Hier kannst du weiterlesen

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About the author

Maria Fahnemann

Als Heilpraktikerin für Psychotherapie, Kunsttherapeutin und kreative Traumatherapeutin helfe ich Menschen in schwierigen Lebenssituationen. Meine Behandlungsschwerpunkte sind: Anpassungsstörungen Depressionen Angststörungen Stress und Burnout Meine besondere Liebe gilt der Arbeit mit Angehörigen psychisch erkrankter Menschen.

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