Paar blickt in die Ferne

Co-Depression: Bei diesen Anzeichen solltest du dir Hilfe suchen

In diesem Blogpost erfährst du: 

Können psychische Erkrankungen ansteckend sein?

Manchmal haben Angehörige das Gefühl, die psychische Erkrankung der Partnerin oder des Partners habe sie inzwischen auch angesteckt. Ist das überhaupt möglich?

Diese Frage kann man mit einem klaren "Jein" beantworten. 

Das "Nein" aus dem "jein" bezieht sich darauf, dass psychische Erkrankungen nicht im eigentlichen Sinne ansteckend sind - schließlich werden sie weder von Viren noch von Bakterien ausgelöst. Eine klassische Ansteckung durch die Übertragung von Krankheitsauslösern ist also nicht möglich. 

Was allerdings tatsächlich vorkommt - und zwar gar nicht so selten - ist, dass psychische Erkrankungen auf das Umfeld abfärben. Es kann also vorkommen, dass der schlechte seelische Zustand, in dem sich die psychisch erkrankte Person befindet, sich wie auf Partner*innen und Familie überträgt. 

Ein paar Beispiele

Ich nenne dir hierzu mal ein paar Beispiele: 

Co-Abhängigkeit bei Suchterkrankungen

Bestimmt hast du im Zusammenhang mit Alkoholabhängigkeit schon einmal den Begriff der Co-Abhängigkeit gehört. Damit ist zwar nicht gemeint, dass Angehörige von alkoholkranken Menschen selbst alkoholkrank werden (obwohl auch das passieren kann, genauso wie Angehörige von Suchtkranken selbst depressive Erkrankungen entwickeln können), Co-Abhängigkeit meint meistens, dass Angehörige den suchterkrankten Menschen schützen. Sie räumen beispielsweise leer getrunkene Flaschen weg, übernehmen beim Arbeitgeber den Anruf mit der Krankmeldung, wenn der Erkrankte wegen des Suchtproblems nicht zur Arbeit gehen kann, geben dem Erkrankten Geld für Alkohol oder Drogen und so weiter. 

Co-abhängige Angehörige wollen damit manchmal Konflikten aus dem Weg gehen; häufig sind es auch starke Schamgefühle, die sie so handeln lassen. Es soll halt niemand erfahren, dass die Person an einer Abhängigkeitserkrankung leidet. 

Leider wird damit die Sucht oft unterstützt und verstärkt. 

Zwangserkrankungen

Als zweites Beispiel möchte ich hier Zwangserkrankungen anführen. Bei Zwangserkrankungen - vor allem wenn sie sich in Zwangshandlungen äußern - passiert es relativ häufig, dass Familienmitglieder in das Zwangssystem des Erkrankten hineingezogen werden. Sie halten dann beispielsweise ebenso rigide Wasch- und Putzaktivitäten ein, weil das erkrankte Familienmitglied sonst nicht mit ihnen zusammensein möchte, oder sich in der Wohnung nicht wohlfühlt. Leider führt das Mitmachen bei den Zwängen, so wie bei Suchterkrankungen, nicht zu einer Verbesserung der Erkrankung, sondern im Gegenteil festigt es die Krankheitssymptome. 

Zum Thema Co-Depression gibt es auch eine Podcastfolge von mir. Hier kannst du dir die Episode anhören:

Psychotische Erkrankungen

Co-Erkrankungen gibt es sogar im Bereich psychotischer Erkrankungen. Unter Psychosen versteht man Wahnvorstellungen, die zum Beispiel Menschen mit einer schizophrenen Erkrankung entwickeln. Sie fühlen sich zum Beispiel verfolgt, hören Stimmen oder sehen Dinge, die nicht da sind. 

Auch bei schweren Depressionen kann es übrigens zu Wahnvorstellungen kommen. Die sehen aber anders aus als der schizophrene Wahn. Hier geht es weniger um das Hören von Stimmen und ähnlichem als darum, starke Schuldgefühle zu entwickeln, oder fest davon überzeugt zu sein, bald zu verarmen, auch wenn es dafür keinerlei Anhaltspunkte gibt. 

Wenn ein naher Angehöriger in das "Wahnsystem", also die Wahnvorstellungen eines psychotischen Menschen mit "einsteigt", den Wahn also übernimmt, nennt man das eine "Folie à deux", also eine "Verrücktheit zu zweit". Das passiert in der Regel nur mit Angehörigen, die sehr eng mit der erkrankten Person verflochten sind. Und es gibt sich wieder, wenn die Personen voneinander getrennt werden. Und: eine Folie à deux ist sehr selten.

Depressive Erkrankungen

Die depressive Erkrankung eines Menschen kann auf An- und Zugehörige abfärben, als ob sie ansteckend sei. Das kann mehrere Gründe haben: Zum Einen gibt es bei Depressionen tatsächlich eine familiäre Häufung, das heißt, in manchen Familien kommen Depressionen häufiger vor als in anderen. Das würde aber nicht erklären, dass Partner*innen von depressiv erkrankten Menschen manchmal selbst Symptome einer Depression entwickeln. Was hier passiert, ist eher eine Mischung aus Erschöpfung, Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit, die sich bei Angehörigen breit machen kann. 

Kein Wunder, wer sich für seinen erkrankten Angehörigen immer wieder erfolglos einsetzt, sich womöglich geradezu aufopfert, der steckt diese Anstrengung nicht mal eben so weg. Hinzu kommt, dass ja Depressionen sehr häufig durch sozialen Rückzug, Stimmungstiefs und Antriebslosigkeit gekennzeichnet sind. Und ganz ehrlich, das kann geradezu anstecken.

Jeder kennt es, dass gute Laune die Umgebung ansteckt, sprichwörtlich - man sagt ja sogar, jemand habe eine ansteckend gute Laune. (An dieser Stelle möchte ich noch einmal betonen, dass Depressionen keineswegs einfach eine schlechte Phase oder mit schlechter Laune gleichzusetzen sind - Depressionen sind eine ernste und zuweilen sehr schwere Erkrankung)! Doch ein guter Teil der Symptome einer depressiven Erkrankung kann auf Außenstehende wie eine schlechte Laune wirken, und auch die ist oft wie ansteckend.

Was du tun kannst, wenn ein dir nahestehender Mensch an einer Depression leidet - und wo deine Grenzen sind, kannst du in diesem Artikel auf meinem Blog nachlesen.

Brauchst du Hilfe? - Achte bei  auf diese Anzeichen!

Wenn du Angehörige*r eines psychisch erkrankten Menschen bist, und bei dir selbst merkst, dass du 

  • dein Privatleben vernachlässigst
  • deine Freund*innen deutlich seltener oder sogar gar nicht mehr triffst
  • du dabei bist, deine Interessen aufzugeben
  • du Schlafstörungen entwickelst
  • häufiger als sonst Kopfschmerzen oder Magen-Darm-Probleme hast

ist es allerhöchste Zeit, Hilfe für dich selbst zu suchen. Das alles sind nämlich Anzeichen dafür, dass du viel zu weit über deine Grenzen gegangen bist. 

Hilfe für dich selbst kann ganz unterschiedlich aussehen: Du kannst dich einer Selbsthilfegruppe für Angehörige anschließen oder du kannst für dich selbst therapeutische Hilfe suchen. In einer Selbsthilfegruppe findest du Menschen, die das gleiche oder zumindest ähnliche Dinge erleben wie du. Das kann dir das gute Gefühl geben, nicht allein mit deinen Problemen zu sein. Hier findest du Austausch und ein offenes Ohr. 

Individuelle Begleitung, zum Beispiel in einem therapeutischen Setting, kann dir zum Beispiel helfen, mit deiner eigenen Hilfslosigkeit im Umgang mit deinem psychisch erkrankten Familienmitglied besser klarzukommen. Mit einer Therapeutin oder einem Therapeuten kannst du deine persönliche Balance zwischen Nähe und Distanz ausloten, du kannst lernen, dich abzugrenzen, ohne dich abzuwenden und deine vielleicht heftigen Gefühle gegenüber der Situation und dem erkrankten Menschen finden einen Raum, in dem sie angeschaut und bearbeitet werden können. 

Das ist auch das, was du von mir erwarten kannst, wenn du dich von mir begleiten lassen möchtest. 

Einen Tipp möchte ich dir zum Schluss noch mitgeben: Warte mit der Hilfe für dich selbst nicht, bis du die oben aufgeführten Anzeichen an dir bemerkst. Du musst nicht erst vor Erschöpfung oder Verzweiflung zusammenbrechen, bis du dir helfen lässt. Je eher du dir helfen lässt, desto besser bist du davor geschützt, selbst zu erkranken.

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About the author

Maria Fahnemann

Als Heilpraktikerin für Psychotherapie, Kunsttherapeutin und kreative Traumatherapeutin helfe ich Menschen in schwierigen Lebenssituationen. Meine Behandlungsschwerpunkte sind: Anpassungsstörungen Depressionen Angststörungen Stress und Burnout Meine besondere Liebe gilt der Arbeit mit Angehörigen psychisch erkrankter Menschen.

1comment
Judith - 20. Oktober 2024

Dankeschön

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