
Er hat Depressionen - liebt er mich noch?
Meine Gedanken für dich
Lies diesen Blogpost wenn du in dieser Situation steckst:
- Du teilst dein Leben mit einem an Depressionen erkrankten Partner und dieser sagt dir, dass er keine Gefühle mehr für dich hat
- Er (oder sie) sagt dir, du seist Schuld an seiner Depression
- Eventuell ist dein Partner sogar schon aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen
- Er hält dich auf Abstand und lässt dich im Unklaren, ob und wie es mit euch weitergehen kann
In diesem Blogpost versuche ich, mit dir gedanklich auf die Suche nach Antworten zu gehen. Ich gebe dir Impulse, wie du dich immer wieder zurück in die Balance bringst - auch wenn gerade das zur Zeit sehr schwierig ist.
Dein erkrankter Partner sagt, er liebe dich nicht mehr
Du teilst dein Leben mit einem Menschen, der unter Depressionen leidet. Und besonders die Corona-Zeit hat die Situation womöglich noch verschärft. Vielleicht seid ihr beide im Home-Office, und das auch schon seit Beginn der Pandemie, und das ständige "Aufeinanderhocken" wird zur echten Nervenprobe.
Du wärst nicht der einzige Klient, der mir seine Situation genauso schildert.
Und jetzt kommt auch noch das: Dein Partner verkündet dir, dass er Abstand von dir braucht und dass er womöglich "keine Liebe mehr empfindet". Das tut echt weh. Möglicherweise hast du dich vorher so um deinen geliebten Menschen bemüht, hast Unterstützung angeboten, zu gemeinsamen Aktivitäten eingeladen, warst rücksichtsvoll und mitfühlend. Stimmt's?
Wieso, zum Teufel, kann er das nicht wertschätzen? Wieso sagt er, er liebt dich nicht mehr?
Das Dumme ist: allgemeingültige Erklärungen gibt es da sicher nicht. Ich versuche es mal, mit ein paar Antworten.
1. Keine Gefühle mehr zu empfinden, ist leider eines der Symptome einer depressiven Erkrankung. In der Fachsprache nennt man das auch das "Gefühl der Gefühllosigkeit". Dazu kann es auch gehören, dass die Gefühle von Liebe und Zuneigung zum Partner oder zur Partnerin wie verschwunden sind. Ich persönlich neige eher dazu, zu sagen, sie sind nicht zugänglich, durch die Depression verdeckt. Und das fühlt sich für Betroffene dann an wie alles andere: stumpf, dumpf, grau und schwer.
2. Manche Menschen, die an einer Depression erkranken, haben Angst davor, ihre Angehörigen mit ihrer Erkrankung zu belasten. Das kann dazu führen, dass sie sich zurückziehen und Abstand nehmen. So kann es sein, dass dein Partner dir seine Sorgen und Gefühle nicht mitteilt, weil er meint, du könntest das eh nicht verstehen. Und mal ganz ehrlich: Wie sich ein Mensch mit Depressionen wirklich fühlt, ist für andere wirklich kaum nachvollziehbar.
3. Dein Partner weiß gerade selbst nicht, was mit ihm los ist. Das Gefühl von Schwere und Niedergeschlagenheit ist so stark, dass er zu nichts mehr Kraft hat. Und, siehe oben, Freude und damit auch Liebe kann er momentan einfach nicht empfinden - und er versteht sich da gerade auch nicht.
Er sagt, du hast Schuld an der Depression
Klingt echt krass, oder?
Dennoch habe ich das von Klientinnen schon häufiger gehört. Meistens berichten sie mir dann, ihr Partner habe nun einen Therapeuten gefunden und sei nach einer der ersten Stunde nach Hause gekommen mit den Worten: "Der Therapeut hat gesagt, dass du an meiner Depression Schuld hast!".
Auch dazu habe ich ein paar Gedanken für dich:
1. Wir waren in der Therapiestunde nicht dabei - also wissen wir nicht, welche Wort da von wem gesagt wurden. Ich kann mir kaum vorstellen, dass ein/e Therapeut/in wirklich einen solchen Satz sagt. Was ich mir eher vorstellen kann: In den ersten Therapiestunden geht es meistens zunächst einmal um die allgemeinen Lebensumstände eines Klienten. Also wird man auch auf die Beziehung zu sprechen kommen. Und da es kaum Beziehungen gibt, in denen alles immer Friede, Freude, Eierkuchen ist, geht es im Gespräch mit Therapeuten eben auch um Probleme in einer Beziehung. Soweit, so normal. Nun kann es natürlich sein, dass seitens des Therapeuten auch schon mal eine Frage gestellt wird wie: "Wie geht es Ihnen in Ihrer Beziehung? Sehen Sie da einen Zusammenhang mit Ihren jetzigen Problemen?" - oder so ähnlich. Was dann dein Partner möglicherweise für sich daraus ziehen könnte (du siehst schon: "möglicherweise", "könnte" - ist also nur so ne Hypothese von mir), ist so etwas wie "Aha, da liegen also die Wurzeln meiner Depression"! Aus dieser Schlussfolgerung wird dann verkürzt: "Mein Therapeut hat gesagt, du bis Schuld an meiner Depression!"
2. Zunächst einmal halte ich "Schuld" für kein gutes Konzept in Beziehungen. Ausnahme sind die Fälle, in denen der eine dem anderen wirklich etwas antut, im Sinne von Gewalt, auch psychischer Gewalt. Aber ansonsten spreche ich gar nicht gerne von Schuld. Lieber nutze ich den Begriff "Dynamik". Im Sinne von: Etwas bewegt sich zwischen zwei Partnern und daran ist jeder Partner, jede Partnerin zu gleichen Teilen verantwortlich. Wovon du dich also befreien darfst, ist der Gedanke, du seist Schuld an der depressiven Erkrankung deines Partners. Vielleicht stimmt in deiner Beziehung etwas nicht (mehr). Vielleicht ist dein Partner unglücklich und kann das nicht so richtig zum Ausdruck bringen. Egal, was da in deiner Beziehung los ist, du bist nicht Schuld an der Depression.
3. An einer Depression erkrankt in der Regel ein Mensch, der eine gewisse Disposition, also Veranlagung, dazu hat. Wir alle gehen mit Krisen unterschiedlich um, den einen haut eine schwierige Zeit geradezu um und der andere kann Belastungen ganz gut verarbeiten. Das hat etwas mit unserer angeborenen seelischen Ausstattung zu tun. Auch das ist ein Hinweis darauf, dass du nicht Schuld hast an der Depression deines Partners.
Dein Partner ist bereits aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen?
Und zwar mit der Begründung, er empfinde nichts mehr für dich. Eine Trennung hat er dennoch nicht vollzogen, sondern gibt an, Zeit und Raum für sich zu brauchen, um sich Klarheit über seine Gefühle zu verschaffen.
Machen wir uns nichts vor, das tut weh.
Nun fragst du dich vielleicht: Ist das der Anfang vom Ende, oder schon das Ende? Kann ich etwas tun, um ihn zurückzugewinnen? Wie soll ich mich verhalten?
Hier meine Gedanken dazu:
1. Spricht etwas dagegen, dass es genauso ist, wie er sagt? Er braucht Zeit und Raum für sich, um....ja, um was? Nachzudenken? Alleine zu sein? Zur Ruhe zu kommen? Dir nicht zur Last zu fallen? All das kann sein. Spricht etwas dagegen, dass du ihn fragst, was ihn dazu bewogen hat, auszuziehen? Dass du ihm deine Sorgen und Gedanken mitteilst? Dass du ihn fragst, was er braucht und ob es etwas gibt, das du nun tun kannst? Klar ist nur eins: du wirst es nicht herausfinden, wenn du nicht ins Gespräch gehst. Ob und welche Antworten du bekommst, ist nicht planbar. Vielleicht bekommst du gar keine Antwort, vielleicht eine Antwort, die dir nicht gefällt, die dich traurig oder wütend macht. Dennoch: hab den Mut, das anzusprechen, was dich bewegt. Schweigen vergrößert die Unsicherheit.
2. Ich habe es leider bei Klientinnen auch schon erlebt, dass der Auszug des Partners mit einer anderen Frau zu tun hatte. Und weniger mit Depressionen. Das tut besonders weh. Ich verstehe, dass du dich da auf besonders fiese Weise hintergangen fühlst. Und hilflos. Wer auf diese Weise eine Beziehung beendet, also ohne dir darüber Klarheit zu geben, ist meistens extrem konfliktscheu, sonst würde er sich nicht so davonstehlen. Ich denke, hier brauchst du wirklich Zeit und Raum, damit deine Wunden heilen können. Dabei kannst du dich auch begleiten lassen.
Er hält dich auf Abstand und lässt dich im Unklaren, ob und wie es mit euch weitergehen kann?
Dein Partner hat dir gesagt, er liebe dich nicht mehr, weicht dir aus und hält dich auf Abstand. Er lässt sich auf Gespräch darüber, wie es mit euch weitergehen kann nicht ein. Das kann Gefühle extremer Hilflosigkeit bei dir auslösen. Vielleicht macht er auch immer wieder kleine Annäherungen, nur um sich kurz darauf umso stärker zurückzuziehen. Und du pendelst zwischen Hoffnung und Enttäuschung.
Das kostet unendlich viel Energie.
Hier ein paar Gedanken dazu:
1. Wir Menschen neigen häufig dazu, herausfinden zu wollen, was denn jetzt genau die Gründe für ein bestimmtes Verhalten sind. Das ist verständlich, weil wir meistens annehmen, wenn wir nur die Gründe kennen, können wir die Situation bessern. Wenn dein Partner in einer depressiven Episode steckt, kann er dir vermutlich gerade nicht erklären, was mit ihm los ist und warum er sich so verhält, wie ich es oben beschrieben habe. Er weiß vermutlich wirklich nicht, wie er zurzeit zu eurer Beziehung steht. Wenn er dir sagt, er weiß nicht, ob er sich trennen möchte oder nicht, wirst du das nicht ändern können. Was du kannst: Überlege für dich, wie du damit umgehen möchtest. Möchtest du ihm Zeit geben, verständnisvoll sein und geduldig? Dann sag ihm das. Möchtest du so nicht weitermachen, die Situation nicht weiter ertragen? Dann stehe auch da zu deiner Entscheidung. Ganz wichtig: Zu entscheiden, jetzt erstmal gar nichts zu entscheiden (beziehungsweise zu unternehmen) ist auch eine Entscheidung! Und oft nicht die schlechsteste. Nimm dich da wahr und nimm dich ernst.
2. Das trifft auch für deinen Partner zu: In einer Krise eine existenzielle Entscheidung zu treffen, ist selten eine gute Idee. Das kannst (und solltest du) deinem Partner sagen und ihn bitten, jetzt bitte keine Entscheidung in puncto Trennung zu treffen. In einer depressiven Episode sind die Gedanken verengt. Ein Mensch, der aktuell depressiv erkrankt ist, hat nicht nur wenig Zugang zu seinen Emotionen, er kann meist auch keine klaren Gedanken fassen oder gar Entscheidungen von großer Tragweite treffen. Wenn ihr dazu eine Absprache treffen könnt, seid ihr einen guten Schritt weiter. Wenn ihr es schafft, von Tag zu Tag zu schauen, wie es euch geht, einzeln und miteinander, ist das großartig. Würdigt die guten Momente, ohne die schweren Momente zu ignorieren.
In dieser Podcastfolge spreche ich mit Prof. Bodenmann von der Universität Zürich. Er bezeichnet die Depression als "We-Disease". In unserem Gespräch bekommst du wertvolle Impulse zum Leben mit einem psychisch erkrankten Menschen.
Lies hier meine 5 besten Impulse für dich
- Versuche, so gut wie möglich, mit deinem Partner im Dialog zu bleiben. Auch als Partnerin, nicht nur als "Kümmerin". Das heißt, teile ihm auch mit, wie es dir gerade geht. Dass es gerade schwer für dich ist und dass du deshalb versuchst, auch gut für dich selbst zu sorgen. So vermeidest du, in die Versorgerrolle zu rutschen und bleibst mit deinem Partner auf Augenhöhe.
- Sorge wirklich gut für dich: Pflege deine Freundschaften, unternimm regelmäßig etwas schönes, bei dem du Kraft tanken kannst und mal auf andere Gedanken kommst. Tu dir gut!
- Versuche, von Tag zu Tag zu schauen, wie es gerade ist. Mache jetzt keine großen Pläne, sondern gehe in kleinen Schritten. Das kannst du auch mit deinem Partner vereinbaren. Ihr schaut gemeinsam Tag für Tag, was gerade ist. Würdige, was gut ist und akzeptiere, was gerade nicht gut ist. Das ist meistens viel weniger anstrengend, als mit aller Macht etwas ändern zu wollen.
- Sprich auch mit anderen über die Erkrankung deines Partners, berichte deinen Freunden, deiner Familie, was gerade bei euch los ist. Damit vermeidest du, Ausflüchte finden zu müssen, wenn du gefragt wirst. Geheimnisse und Ausreden kosten dich Energie. Wenn du dich mitteilst, bekommst du Verständnis und Mitgefühl.
- Hole dir professionelle Hilfe. Ehe du in schlaflosen Nächten Gedanken und Sorgen wälzt, lass dich durch diese Zeit begleiten. Du kannst mich ansprechen, wenn du möchtest, dass ich dich begleite.
Wenn Du meine Hilfe wünschst, biete ich Dir gerne folgendes an:
Buche eine Therapiestunde bei mir. Entweder in meiner Praxis oder wenn Du nicht in der Nähe wohnst, vereinbaren wir einen Online-Termin. Eine Therapiestunde kostet 95 Euro und dauert 60 Minuten.
In beiden Fällen nimm bitte mit mir Kontakt auf. Herzlichen Dank! Ich freue mich, wenn ich Dir helfen kann.
Möchtest du direkt weiterlesen?
Dann schau auch in meine weiteren Blogartikel, in denen ich dir jede Menge Impulse und Gedanken zusammengestellt habe, die dir helfen sollen, wenn du dein Leben mit einem psychisch erkrankten Menschen teilst.