Familienmitglied ist psychisch krank

Ein Familienmitglied ist psychisch erkrankt - wieviel Verständnis brauchen Sie?

 Hier gibt es Antworten. 

In meiner Arbeit mit Angehörigen psychisch Erkrankter begegnen mir immer wieder Fragen, die sich 5 großen Themen zuordnen lassen. Diesen Themen widme ich eine ganze Blogartikel-Serie. In jeder Folge betrachten wir eines der großen Themen genauer. Ich lade Sie dazu ein, sich darauf einzulassen, auch einmal bei sich selbst zu schauen, wie Sie mit den jeweiligen Themen umgehen. Und ich möchte Ihnen Impulse mitgeben, die Ihnen helfen sollen, sich dazu zu positionieren - vielleicht sogar auf neue Weise.

Die 5 Themen sind: 

Hier geht es um: 

Verständnis

Psychische Erkrankungen - verstehen, was los ist

Bis eine psychische Erkrankung richtig erkannt und diagnostiziert ist, kann einige Zeit vergehen. Oft dauert es sogar eine ganze Weile, bis das, "was da seit einiger Zeit los ist" als Anzeichen einer psychischen Erkrankung erkannt wird.

Meistens fängt es damit an, dass ein Mensch sich verändert: Manche Menschen ziehen sich zurück, andere reagieren häufiger gereizt oder aggressiver als sonst, wieder andere Menschen sitzen wie unbeteiligt dabei, scheinen gar nicht mitzubekommen, worüber sich die anderen gerade unterhalten. Oder jemand stellt plötzlich "seltsame" Fragen oder macht Anmerkungen, die gar nicht in den Zusammenhang passen.

Das wirft beim Umfeld zwar Fragen auf und sorgt für Stirnrunzeln, doch der Gedanke an eine ernsthafte Erkrankung ist noch weit weg. Die meisten Angehörigen werden erst hellhörig, wenn sich das neue Verhalten verstärkt und regelmäßiger auftritt. Oder wenn der Betroffene selbst äußert, dass etwas nicht stimmt. 

Die Diagnose muss der Fachmensch stellen!

Bis eine richtige Diagnose getroffen ist, kann es ein Weilchen dauern. Oft ist es nämlich gar nicht so einfach, ein psychisches Leiden richtig einzuordnen. Deshalb ist die erste Diagnose nicht immer endgültig, sondern wird gar nicht selten im Laufe der Zeit noch ein- oder sogar mehrmals angepasst. Das ist völlig normal und nicht etwa ein Zeichen für die "Unfähigkeit" des Arztes. Wichtig ist, dass nur ein Fachmensch eine verlässliche Diagnose stellen kann. Zu diesen Fachgruppen zählen in erster Linie Ärzt*innen für Psychiatrie und Psychologische Psychotherapeut*innen. Auch Hausärzt*innen können sehr gute erste Ansprechpartner sein. 

Eine Zeit emotionaler Achterbahnfahrt - für die Angehörigen

Diese Zeit vom ersten Verdacht bis zur Diagnose (und erst recht bis zur fachgerechten Therapie) kann für Angehörige eine Zeit großer emotionaler Anstrengung sein. Denn als Angehörige stellen Sie sich wahrscheinlich diese Fagen:

  • Ein Familienmitglied ist psychisch erkrankt - was bedeutet das eigentlich?
  • Ist die Erkrankung heilbar? Oder wenigstens behandelbar?
  • Wie geht es nun weiter? Und: wird es je wieder, wie es einmal war?

Die Antworten auf diese Fragen sind bei jedem Fall anders. Es gibt ja nicht nur eine einzige Art der psychischen Erkrankung - jede Erkrankung ist spezifisch und braucht eine eigene Art der Behandlung. 

Mein bester Rat zu dem Thema ist so banal wie wichtig:

Verschaffen Sie sich so viele Informationen wie möglich. Werden Sie zum Laien-Experten. Suchen Sie das Gespräch mit den Behandler*innen Ihres Familienangehörigen. Außerdem empfehle ich Ihnen diese Internetseite, die unter anderem von der DGPPN, der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik betrieben wird. Hier bekommen Sie seriöse Informationen.

Denn Wissen und Verstehen sind der erste Weg zum Verständnis. 

Verändertes Verhalten, verändertes Wesen - (was) muss ich alles hinnehmen?

Mit "Verständnis haben" meinen wir meistens sowas wie nachsichtig sein, verstehen, dass es der andere nicht leicht hat, Mitgefühl haben, eben alles mögliche hinnehmen. 

Wenn ein geliebter Mensch sich verändert, im Verhalten oder in seinem Wesen, und das wird durch eine psychische Erkrankung hervorgerufen, trauen sich Angehörige oft nicht, unangemessenes Verhalten als solches zu bezeichnen. "Er/sie kann halt nichts dafür",  - eine verständliche Reaktion. Wenn Sie akzeptieren, dass ein Mensch erkrankt ist, heißt das aber nicht, dass Sie auch jedwedes Verhalten akzeptieren müssen. 

Im Klartext: Aggressives Verhalten (nur so als Beispiel) muss man nicht hinnehmen. Sie dürfen (Ihre) Grenzen aufzeigen und so etwas sagen sie: "Ich möchte nicht, dass du so mit mir umgehst". Gleichzeitig dürfen Sie dieses Verhalten auf die Erkrankung schieben. Das ist im Grunde auch das, was ich meine, wenn ich, wie so oft, sage "abgrenzen ja, abwenden nein". Wenn Sie eine Grenze ziehen, dann machen Sie immer klar, dass es Ihnen um bestimmte Verhaltensweisen geht, nicht um die ganze Person.

Der Unterschied zwischen Verständnis und Hinnehmen

Stellen Sie sich einmal vor, Ihr Kind entwickelt eine Essstörung. Es sitzt also nun bei den Mahlzeiten mit am Tisch und rührt und stochert im Essen, ohne auch nur einen Bissen zum Munde zu führen. Dieses Verhalten ist der Erkrankung geschuldet und sehr typisch für Menschen mit einer Magersucht. Sie wiederum stören sich an dieser Stocherei, wissen gleichzeitig, dass es Anzeichen einer Erkrankung ist. Hier könnte Abgrenzung so aussehen: Sie könnten Ihrem Kind sagen, "wenn du mit dem Essen nur spielst, sollten wir vielleicht nicht mehr zu den Mahlzeiten gemeinsam am Tisch sitzen. Ich finde das nämlich unappetitlich und mich stört das". Es ist gar nicht so selten, dass in Familien mit einem Kind, das eine Essstörung entwickelt, gemeinsame Mahlzeiten vermieden werden. So wird der Stresspunkt "Essen" entzerrt und entstresst. Für alle Beteiligten. Das hilft, die Beziehung nicht zu beschädigen und gleichzeitig eine klare Grenze zu ziehen. 

An dieser Stelle möchte ich ganz klar darauf hinweisen, dass eine Essstörung auf jeden Fall eine schwerwiegende, behandlungsbedürftige Erkrankung ist. Holen Sie sich sobald wie möglich fachliche Hilfe, wenn ein Mitglied Ihrer Familie in eine Essstörung rutscht. Das Thema ist insgesamt so komplex, dass dies hier wirklich nur als kleines Beispiel für Verständnis bei gleichzeitiger Abgrenzung dient. 

Angehörig sein - wer hat eigentlich Verständnis für mich?

Für Angehörige kann die psychische Erkrankung eines Familienmitgliedes ganz schön viel durcheinanderwirbeln. Es wird Ihnen jetzt viel abverlangt, das ist anstrengend. Möglicherweise pendeln Sie hin und her zwischen Fürsorge für Ihren geliebten Menschen und Überforderung.

Was Sie jetzt brauchen, ist Verständnis für Sie selbst. Für Ihre Situation, die gerade nicht leicht ist. Denn oft sind Angehörige nun diejenigen, auf denen (nahezu) die ganze Alltagslast ruht. Leider gelten psychische Erkrankungen immer noch als etwas, über das man am besten gar nicht spricht. Eigentlich verrückt, wenn man bedenkt, dass jedes Jahr etwa jeder 4. Erwachsene in Deutschland psychisch erkrankt ist*. Das ist ja nun wirklich nicht wenig. 

Ich finde, Sie dürfen als erstes mal selbst für Ihre Situation Verständnis aufbringen. Und sich eingestehen, dass es gerade schwierig ist. Das ist nämlich der erste Schritt, um auch Verständnis von außen zu bekommen. Was dazu aber noch fehlt, ist, dass Sie darüber sprechen, was Sie gerade erleben. 

Sie müssen da nicht allein durch!

Beziehen Sie Ihr Umfeld ein. Informieren Sie Ihre Freunde, Ihre Familie über die Erkrankung Ihres Partners, Ihrer Partnerin oder Ihres Kindes. Da Sie sich sowieso zu der betreffenden Erkrankung schlau machen, lassen Sie andere an Ihrem Wissen teilhaben. Wissen ist das beste Mittel gegen Angst. Sich mitteilen ist das beste Mittel, Verstärkung zu bekommen. Und Verständnis. 

Seien Sie bei all dem freundlich und nachsichtig mit sich selbst. Vor allem, wenn Sie merken, dass Sie es nicht alleine schaffen - Sie müssen da nicht alleine durch! Viele Angehörige warten unheimlich lange, bis sie sich selbst Hilfe holen. Dabei würde es Ihnen so gut tun, sich in dieser Phase zum Beispiel auch professionell begleiten zu lassen. Haben Sie Verständnis für sich selbst!

*Quelle: Basisdaten Psychische Erkrankungen, Hrsg. dgppn, August 2021

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About the author

Maria Fahnemann

Als Heilpraktikerin für Psychotherapie, Kunsttherapeutin und kreative Traumatherapeutin helfe ich Menschen in schwierigen Lebenssituationen. Meine Behandlungsschwerpunkte sind: Anpassungsstörungen Depressionen Angststörungen Stress und Burnout Meine besondere Liebe gilt der Arbeit mit Angehörigen psychisch erkrankter Menschen.

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