innig tanzendes Paar

Depression bei einem Angehörigen: 

Wieviel Nähe - wieviel Distanz brauchen Sie?

In meiner Arbeit mit Angehörigen psychisch Erkrankter begegnen mir immer wieder Fragen, die sich 5 großen Themen zuordnen lassen. Diesen Themen widme ich eine ganze Blogartikel-Serie. In jeder Folge betrachten wir eines der großen Themen genauer. Ich lade Sie dazu ein, sich darauf einzulassen, auch einmal bei sich selbst zu schauen, wie Sie mit den jeweiligen Themen umgehen. Und ich möchte Ihnen Impulse mitgeben, die Ihnen helfen sollen, sich dazu zu positionieren - vielleicht sogar auf neue Weise.


Die 5 Themen sind: 

Ein depressiv Erkrankter geht auf Distanz - was steckt dahinter?

Viele Angehörige von Menschen mit einer depressiven Erkrankung erleben das: Die erkrankte Person zieht sich zurück. Das ist ein ganz typisches Merkmal der Depression. Die häufigste Reaktion der Angehörigen ist es dann, nachzufragen, was denn los sei, Hilfe anzubieten, zu versichern, für die Person da zu sein - und so weiter.

Es ist ja auch völlig logisch, dass man sich Sorgen macht und wissen möchte, was "los ist". Wenn es bisher für die Person ganz untypisch war, so allein im Zimmer zu hocken, nichts mehr mitmachen zu wollen oder eventuell morgens kaum (oder gar nicht) aus dem Bett zu kommen. 

Und es ist vollkommen richtig, wenn Sie in einer solchen Situation den Kontakt suchen und das Gespräch aufnehmen möchten.

Leider machen dann viele Angehörige die Erfahrung, dass der erkrankte Lieblingsmensch sie wegschickt, "in Ruhe gelassen" werden möchte und schon gar nicht reden will. 

Das tut weh.

Alles ist einfach zu viel

Wie schon gesagt, der Rückzug und auch das "Wegschicken", der Wunsch nach Distanz sind typische Merkmale der depressiven Erkrankung. Wer in einer depressiven Episode steckt, dem ist oft alles zu viel. Alles ist furchtbar anstrengend. Auch der Kontakt und die Nähe zu geliebten Menschen. Dazu kommt noch, dass - je nach Schweregrad der Depression - Gefühle hinter einer dicken Nebelwand verschwinden. Bis sie nicht mehr gespürt werden können. Deshalb fallen auch öfter Sätze wie "ich fühle keine Liebe mehr zu dir". Das schmerzt besonders. 

Wie sollen Sie sich jetzt verhalten? Es ist eine echte Gratwanderung gefragt, zwischen "in Ruhe lassen" und liebevoller Fürsorge. Ganz praktische Tipps dazu habe ich auch in meinem Blogpost "10 Dinge, die Sie tun können" zusammengefasst. 


Was löst die Distanz bei Ihnen aus - und wie können Sie damit umgehen?

Um einen besseren - oder überhaupt einen - Umgang mit diesem ungewohnten Verhalten Ihres geliebten Menschen zu finden, sollten Sie sich als erstes fragen, was das Verhalten bei Ihnen auslöst.

Enttäuschung?
Traurigkeit?
Verzweiflung?
Unverständnis?
Wut?
Fassungslosigkeit?
Bitterkeit?
Mitgefühl?
...oder etwas ganz anderes?

Ich habe hier mal ein paar Gefühle aufgelistet, von denen ich mir vorstellen kann, dass Sie sie in solchen Momenten bewegen. Dies sind auch die Emotionen, die meine KlientInnen mir immer wieder schildern.

Warum halte ich es für wichtig, sich über die eigenen Gefühle zunächst einmal klar zu werden?

Ich bin davon überzeugt, dass es Ihnen leichter fällt, mit einer Sache umzugehen, wenn Sie sich zugestehen, dass diese Sache etwas (unangenehmes) in Ihnen auslöst. Denn es ist nichts Falsches daran. Viele Angehörige neigen dazu, diese Gefühle schnell zu übergehen und sofort in die Hilfsbereitschaft zu springen. Unverständnis, Enttäuschung oder Traurigkeit gestehen wir uns gerade noch zu. Aber darf ich wütend sein, wenn ein depressiv erkrankter Angehöriger mir sagt, dass er seine Ruhe vor mir möchte?

Die eigenen Gefühle bewusst wahrzunehmen und anzunehmen hilft dabei, auch die Situation anzunehmen. Und es schützt uns davor, unserer Wut freien Lauf zu lassen, nur weil wir sie viel zu lange unterdrückt haben.

So ungefähr: "Ja, mich macht das hilflos, wütend, traurig.... dass meine Partnerin sagt, sie fühlt nichts mehr für mich. Ich kann das zwar nicht verstehen, aber so ist es wohl im Moment. Ich versuche, das auszuhalten. Und ich versuche zu verstehen, dass es wohl Teil der Erkrankung ist." 

Auch wenn es nicht einfach ist...

Dieses Aushalten ist natürlich nicht einfach. Da kann es auch hilfreich sein, sich dabei professionell unterstützen zu lassen. Wenn die hilflosen Gefühle einen Ort haben, wo sie Ausdruck finden dürfen, hilft das übrigens auch dabei, sie nicht bei der Partnerin oder dem Partner auszulassen. Denn dort gehören sie nicht hin. Wenn Sie versuchen, es so zu betrachten: Der oder die Erkrankte kann momentan nicht anders. Er agiert nicht gegen Sie, sondern versucht, sich zu schützen - vor Überforderung. 

Wieviel Distanz brauchen Sie - und wieviel Nähe?

Unsere Enttäuschung entsteht ja meistens dort, wo wir selbst andere Erwartungen und Bedürfnisse haben als  andere. Oder als  andere geben können. Wenn Sie also zurzeit ein großes Nähebedürfnis haben, vielleicht auch aus Ihrer Sorge heraus, und dann werden Sie "weggeschickt", ist die Enttäuschung vorprogrammiert. 

Eine gesunde Distanz ist jedoch wichtig, besonders jetzt. Das Leben mit einem psychisch erkrankten Menschen stellt Sie als Angehörige vor große Herausforderungen, die sehr kräftezehrend sein können. Dem Thema "Depressionen in der Beziehung und warum Abstand wichtig ist" habe ich schon einmal einen Blogartikel gewidmet. Hier finden Sie ganz praktische Impulse, wie Sie einen gesunden Abstand zur Erkrankung Ihres geliebten Menschen herstellen können. 

Suchen Sie die Nähe zu sich selbst

Viele Angehörige verlieren während der depressiven Phasen eines erkrankten Familienmitglieds ganz schnell die Nähe zu sich selbst. Wenn Sie auf jeden Schritt Ihres Lieblingsmenschen achten, jede Geste, jedes Wort aufmerksam verfolgen, verlieren Sie sich selbst ziemlich schnell aus dem Blick. Das ist nicht gut. Denn so gerät Ihre psychische Gesundheit aus der Balance und Sie landen in der Erschöpfung. Es ist im übrigen auch für den erkrankten Menschen gar nicht gut, wenn die Angehörigen mit Gedanken und Sorgen immer nur bei ihm sind. Auch wenn das alles sehr liebevoll passiert. 

Wie aber sucht man die Nähe zu sich selbst? Viele Angehörige sind schon so lange in der Rolle der sorgenden Partner und Partnerinnen, dass sie das erst wieder lernen müssen. Ein erster guter Schritt ist es, immer mal wieder zwischendurch innerlich einen Schritt zurückzutreten, um sich zu fragen: "Wie geht es mir gerade in dieser Situation?" oder "Was brauche ich jetzt?". Um dann zu schauen, wie Sie das, was Sie brauchen, zu bekommen. Wenigstens einen Teil davon. Fragen Sie sich daher auch öfter mal, ob das, was Sie gerade tun und leisten auch von jemand anderem geleistet werden kann. Wo können Sie Verantwortung abgeben, um wieder mehr Nähe zu sich selbst zu finden. 

Hilfe zu holen ist ein Zeichen von Stärke

Sich Hilfe zu holen bei Aufgaben, die zu bewältigen sind, ist das eine. Und auch das fällt vielen Menschen unglaublich schwer. Vielleicht haben auch Sie da ein Lernfeld? 

Das andere ist es, Hilfe für sich selbst in Anspruch zu nehmen. Damit Sie die Nähe zu sich selbst und die Fürsorge für sich selbst wieder erlernen und sich gestatten. Wenn Sie sich bei dem Gedanken ertappen, dass Sie alles selbst leisten müssen und darüber hinaus auch noch in Gedanken und Emotionen ständig beim erkrankten Angehörigen zu sein, ist es allerhöchste Eisenbahn, sich Hilfe zu holen. Denn dann sind Sie schon mittendrin in der Helferfalle, die Sie in die Erschöpfung führt. Es ist ein Zeichen von Stärke, zuzugeben, dass Sie es nicht mehr alleine schaffen. 

Wer sich gestattet, sich selbst nah zu sein, bekommt ein Gefühl dafür, wann es Zeit ist, die Last auf mehrere Schultern zu verteilen. 

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About the author

Maria Fahnemann

Als Heilpraktikerin für Psychotherapie, Kunsttherapeutin und kreative Traumatherapeutin helfe ich Menschen in schwierigen Lebenssituationen. Meine Behandlungsschwerpunkte sind: Anpassungsstörungen Depressionen Angststörungen Stress und Burnout Meine besondere Liebe gilt der Arbeit mit Angehörigen psychisch erkrankter Menschen.

2comments
matthew1959miller@gmail.com - 2. März 2025

gut dass es menschen wie sie gibt, die sich mit krisensituationen beschäftigen und sogar noch eine therapie anbieten.
viel erfolg und gutes gelingen für ihre arbeit, viele liebe grüße matthias rumpf, dortmund

ps: ich selber leide unter einer schweren depression und habe schon vieles in kliniken ausprobiert, habe aber wenig erfolg gehabt. habe hoffnung verloren und setze nun auf eine behandlung durch die STÄB hier in dortmund.

Reply
    Maria Fahnemann - 5. August 2025

    Vielen Dank für deinen Kommentar und die guten Wünsche! Auch dir alles Gute!

    Reply
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