Wochenbettdepressionen - wichtige Hinweise für Angehörige
Hier erfährst du,
- Was eine Wochenbettdepression vom "Babyblues" unterscheidet
- Was die Anzeichen einer Wochenbettdepression sind
- Warum eine Wochenbettdepression oft nicht erkannt wird
- Wichtige Hinweise für Angehörige - was du tun kannst
- Wann es Zeit ist, professionelle Hilfe hinzuzuziehen und wer diese leisten kann
Dieser Blogartikel fußt auf einem Gespräch, das ich mit Claudia Malterer in meinem Podcast geführt habe. Den Podcast kannst du hier hören.
Was unterscheidet eine Wochenbettdepression vom "Babyblues"?
Ganz viele Frauen, die schon einmal ein Baby geboren haben kennen das: Wenige Tage nach der Geburt ist einem nur noch zum Heulen, die Tränen fließen einfach und die junge Mutter fühlt sich ganz elend. Genauso plötzlich wie das begonnen hat, geht die Heul-Stimmung auch wieder vorbei und alles ist wieder in Ordnung. Diesen Zustand nennt der Volksmund häufig "Heultage" - nicht gerade wertschätzend, wie ich meine, dennoch nicht weiter bedenklich. Schuld daran ist meistens der abrupt fallende Hormonspiegel im Körper der Frau. Und der bringt eben auch die Stimmung zum Purzeln.
Bleibt diese gedrückte Stimmung etwas länger, die junge Mutter ist emotional empfindlich und weint schnell, spricht man häufig vom "Babyblues". Auch der Babyblues ist nichts wirklich besorgniserregendes, sofern er nach 10 bis 14 Tagen abklingt und einer ausgeglicheneren Stimmung Platz machen.
Ein Baby zur Welt zu bringen ist nun einmal eine große Umstellung für alle Beteiligten. Junge Eltern sind auf einmal für ein weiteres Menschenleben verantwortlich, sie bekommen wenig Schlaf und besonders die junge Mama muss auch mit körperlichen Veränderungen klar kommen. Soweit, so normal. Hier reicht es in der Regel, sich Ruhe zu gönnen, es langsam angehen zu lassen und Ansprüche an Perfektion in Haushalt und Kinderversorgung soweit wie möglich zurückzustellen. (Manchmal leichter gesagt als getan...). Es ist toll, wenn die Partner*innen der jungen Mütter in dieser Zeit Urlaub nehmen können, um da zu sein, zu helfen und zu unterstützen, damit die Mami sich wirklich ausruhen kann. Die neuen Omas, Opas, Tanten und Onkel können ebenfalls ihre Hilfe anbieten, vielleicht auch mit vorhandenen älteren Geschwistern etwas unternehmen, und ansonsten Besuche eher auf ein Minimum beschränken.
Wenn sich jedoch nach 6 bis 8 Wochen eine gedrückte Stimmung bei der Mutter zeigt, eine Stimmung, die nicht nur vorübergehend ist, dann könnten das erste Hinweise auf eine beginnende Wochenbettdepression sein.
Nach 6 bis 8 Wochen läuft häufig die Unterstützung durch die Hebamme aus, die Nachuntersuchung bei der Gynäkologin ist gelaufen und auch die Väter sind wieder an den Arbeitsplatz zurückgekehrt. Mit einem Mal stehen Mama und Baby im Alltag und unter Umständen bekommt niemand so richtig mit, dass da etwas aus dem Ruder läuft.
Eine Wochenbettdepression verschwindet nicht so einfach wieder und sollte immer ernst genommen werden. Während vom Babyblues noch rund die Hälfte aller gebärenden Frauen betroffen sind, erleben rund 10 bis 15 Prozent der jungen Mütter eine echte Wochenbettdepression. Damit ist sie gar nicht selten!
Über Wochenbettdepressionen und andere psychische Krisen rund um Geburt und Wochenbett habe ich in meinem Podcast mit Claudia Malterer gesprochen. Claudia ist analytische Gestalttherapeutin, Traumatherapeutin und in ihrem Ursprungsberuf Hebamme. Sie kennt sich mit dem Thema also richtig gut aus. Die Podcastfolge zu Wochenbettdepressionen kannst du direkt hier hören.
Was sind die Anzeichen einer Wochenbettdepression?
Typische Anzeichen einer Wochenbettdepression sind
- gedrückte Stimmung
- Überforderungsgefühle
- Schuldgefühle
- Versagensängste
Schlafstörungen, die oft auch zum Bild der "normalen" depressiven Erkrankung gehören, können bei der Wochenbettdepression nicht unbedingt von den Schlafstörungen, die eh in der ersten Zeit mit dem Baby da sind, unterschieden werden. Junge Eltern bekommen nun mal nur einen Etappenschlaf... Dasselbe gilt für Antriebslosigkeit, die durch die chronische Müdigkeit junger Mütter auch vorhanden sind, ganz ohne depressive Erkrankung. Was sehr häufig mit der Wochenbettdepression einhergeht, sind Zwangsgedanken, wie die Angst davor, dem Baby etwas anzutun oder das Baby fallenzulassen, es alleine auf dem Wickeltisch zu lassen und damit einen schlimmen Unfall hervorzurufen. Diese Zwangsgedanken sind sehr quälend, auch wenn sie nicht umgesetzt werden, sind sie ein Alarmzeichen
Warum eine Wochenbettdepression oft nicht erkannt wird
Weil viele der Anzeichen der Wochenbettdepression mit der "ganz normalen" Erschöpfung nach einer Geburt erklärt werden , bleibt eine Wochenbettdepression häufig unerkannt. Das gilt nicht nur für das Umfeld, sondern auch für die jungen Mütter selbst: Sie erklären sich und anderen ihre gedrückte Stimmung mit Schlafmangel, Erschöpfung und dem anstrengenden Leben mit einem Neugeborenen. Das ist fatal, denn damit verstreicht zu viel Zeit, die für die Behandlung der depressiven Erkrankung der Mutter genutzt werden könnte.
In England gehört es deshalb zur normalen Geburtsnachsorge, junge Mütter regelmäßig auf depressive Symptome zu untersuchen. Am Universitätsklinikum Nürnberg läuft übrigens gerade eine Studie zum Screening von Wochenbettdepressionen. Vielleicht gehören diese Reihenuntersuchungen ja auch in Deutschland irgendwann zum Standard.
Wichtige Hinweise für Angehörige - was du tun kannst
"Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen". Diesen Ausspruch hast du bestimmt schon einmal gehört. Nun leben wir heute in der Regel nicht mehr in Großfamilien, doch mag ich dir ans Herz legen, diesen Ausspruch ernstzunehmen und von Anfang an, dafür Sorge zu tragen, dass ihr als junge Familie ein stabiles Netzwerk habt, das ein bisschen wie das oben zitierte Dorf funktionieren kann.
Zunächst einmal ist es sicher eine gute Idee, wenn auch du als Partner*in der jungen Mutter in der ersten Zeit nach der Geburt - und mit erster Zeit meine ich das erste Jahr - es genauso als deine Aufgabe ansiehst, die Versorgungsarbeit für das Baby zu leisten. Nimm Urlaub, nimm Erziehungszeit, sei da, höre zu, unterstütze, wo du kannst und bremse auf sanfte Art die Mutter, wenn du erlebst, dass sie sich zuviel zumutet.
Eine leichte Form der Wochenbettdepression kann durch echte Unterstützung, viele unterstützende Gespräche, bei denen der Mutter in erster Linie zugehört wird, schon aufgefangen werden. Wen gibt es noch in eurem Umfeld, der da sein kann? Eine gute Freundin? Oft ist da zu sein genauso wichtig, wie tatkräftig zu helfen. Mal das Baby zu überwachen, damit die Mama sich auch tagsüber mal sorgenfrei hinlegen kann. Vielleicht auch mit älteren Kindern etwas unternehmen oder zu spielen, um die junge Mutter zu entlasten.
Wenn du merkst, das alles hilft nicht, oder die Hilfe wird nicht angenommen, zögere nicht zu lange, um Hilfe von außen einzuschalten.
Wer kann professionelle Hilfe leisten
Wenn du als Angehörige*r merkst, die gedrückte Stimmung, das Gefühl, der Mutterrolle nicht gewachsen zu sein, die Versagensängste verfestigen sich, es wird nicht besser und Hilfe und Unterstützung werden nicht angenommen, solltest du dich nicht scheuen, professionelle Hilfe einzuschalten.
Besteht noch Kontakt zur Hebamme, kann diese eine erste Anlaufstelle sein. Auch wenn sie selbst nicht im Thema "Wochenbettdepression" fortgebildet ist, wird sie vernetzt sein und kann an weitere Hilfsstellen vermitteln.
Auch die Frauenärztin kann eine gute Ansprechpartnerin sein, mindestens um an Fachstellen weiterzuvermitteln.
Beide, Hebamme und Frauenärztin sind Vertrauenspersonen der jungen Mutter, was ein erstes Gespräch erleichtert.
Fachärztlicherseits wäre ein Arzt oder eine Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie der richtige Ansprechpartner, vor allem wenn es um die Verordnung von antidepressiven Medikamenten geht.
Es gibt aber auch Institutionen, die speziell zum Thema Wochenbettdepression und anderen psychischen Krisen rund um Geburt und Wochenbett Hilfe anbieten und auch von Angehörigen angesprochen werden können:
Schatten und Licht e.V.
Der Verein Schatten und Licht ist eine Initiative rund um psychische Krisen rund um die Geburt. Auf seiner Internetseite stellt der Verein Infomaterial zur Verfügung, macht Hilfsangebote und stellt Fragebögen zur Selbsteinschätzung zum Download bereit, die ich hier auch verlinke.
Frühe Hilfen
Für alle jungen Eltern, die in Not sind, Hilfe und Unterstützung benötigen, gibt es die Frühen Hilfen. Die Frühen Hilfen gibt es bundesweit mit einem sehr breiten Spektrum an Unterstützung von (auf Wunsch anonymer) telefonischer Beratung über die Vermittlung von Familienhebammen bis hin zu Erziehungstipps, Tipps zum Umgang mit Schreibabys und Unterstützung in Notfällen.